Zum Urteil des Hessischen Finanzgerichts zur Abzugsfähigkeit von Vermächtnissen bei der Erbschaftssteuer (Hessisches FG, 18.05.2022 – 10 K 1940/17)
Dass Testamente entweder handschriftlich verfasst oder notariell beurkundet werden müssen, um ihre Ungültigkeit zu vermeiden, ist den meisten Personen bekannt. Das gilt selbstverständlich auch für Ergänzungen zum Testament. Mündliche Ergänzungen zum Testament müssen daher nicht berücksichtigt werden. Dennoch möchten viele Erben den Wunsch der verstorbenen Verwandtschaft erfüllen und den letzten Willen umsetzen. Dabei darf jedoch die Erbschaftssteuer nicht vergessen werden. Die meisten dieser Wünsche an die Erben – z.B. der Wunsch, die Kinder mögen an die Enkel noch ein paar Euro verschenken, um die Enkel im Studium zu unterstützen – sind nicht als Erbe, sondern als Vermächtnis zu klassifizieren (§ 1939 BGB). Ein solches Vermächtnis kann nach § 10 Abs. 5 ErbStG als Nachlassverbindlichkeit von dem eigentlichen Erben abgezogen werden und so die Erbschaftssteuerlast mindern. Entscheidend dafür ist jedoch der Nachweis, dass ein solches Vermächtnis vom Erblasser gewollt war. Für das Steuerrecht sind die zivilrechtlichen Formvorschriften jedoch nach § 41 Abs. 1 S. 1 AO unbeachtlich, wenn die wirtschaftlichen Folgen dennoch eintreten (dazu auch BFH, 15.03.2000 – II R 15/98). Das bedeutet, dass das Vermächtnis auch dann als Nachlassverbindlichkeit gilt, wenn die wirtschaftliche Folge – die Auszahlung an die Enkel – eintritt.
In dem Fall, den das Hessische Finanzgericht zu entscheiden hatte, hatte die Erblasserin ihrem Alleinerben, der über eine Bankvollmacht verfügte, mündlich Geldschenkungen an Personen, die im Testament nicht bedacht wurden, aufgetragen hatte. Der Erbe führte die Überweisungen jedoch erst nach dem Tod der Erblasserin aus und wollte diese dann als Nachlassverbindlichkeit vom eigentlichen Erbe abziehen (Hessisches FG, 18.05.2022 – 10 K 1940/17).
Das Hessische Finanzgericht entschied, dass in einem solchen Fall die üblichen Beweisregeln Anwendung finden. Danach ist der Steuerschuldner grundsätzlich beweispflichtig und im finanzgerichtlichen Verfahren mitwirkungspflichtig.
"Die Unerweislichkeit der mündlichen Erklärung der Erblasserin führt zu einer Entscheidung unter Berücksichtigung der Beweis- bzw. Feststellungslast, die vorliegenden den Kläger trifft, als denjenigen, der die Nachlassverbindlichkeit bereicherungsmindernd geltend macht." (Leitsatz)
Da der Erbe nicht beweisen konnte, dass das mündliche Schenkungsversprechen der Erblasserin tatsächlich existierte, lehnte das Finanzgericht den Abzug konsequent ab. Ohne schriftliche Belege oder Zeugen wertete das Gericht die Überweisungen daher als freiwillige Schenkungen des Erben und nicht als Vermächtnis des Erblassers. Diese Schenkung mindert jedoch die Erbschaftssteuerlast nicht.
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